VERWALTUNGSGERICHT FRANKFURT AM MAIN

Geschäftsnummer: 12 E 1322/01 (3)

 

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Verwaltungsstreitverfahren

......

Kläger,

gegen

Gemeinde Schmitten vertreten durch den Bürgermeister,

Parkstraße 2, 61389 Schmitten/Ts.

Beklagte,

wegen Erschließungsbeiträge

hat die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main durch Richterin am VG Vorschulze

als Einzelrichterin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08..01.2002 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

TATBESTAND

Der Kläger ist gemeinsam mit seinem Bruder Erbe von Frau B. Die Erbauseinandersetzung hat zwischenzeitlich stattgefunden. Frau B. war Eigentümerin des Grundstücks in der Gemarkung ..., Z. Weg 5. Für dieses Grundstück wurde sie mit Bescheid vom 03.05.1999 zu Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag in Höhe von 59.426,62 DM für den Ausbau des S. Weges herangezogen. Gegen diesen Bescheid legte sie fristgerecht Widerspruch ein. Eine weitere Begründung oder Beschränkung des Widerspruchs erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 02.07.1999 wandte sich die Bevollmächtigte der Beitragsschuldnerin mit einigen Fragen bezüglich des Vorausleistungsbescheides an die Beklagte, die von dieser schriftlich beantwortet wurden. Der für den 23.03.2000 anberaumte Termin zur mündlichen Anhörung wurde auf Bitte der Bevollmächtigten des Klägers aufgehoben. Nach Anberaumung eines weiteren Termins zur mündlichen Anhörung am 04.07.2000 bat die Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 27.06.2000 erneut um Aufhebung des Termins und teilte gleichzeitig mit, dass seitens der Erben der verstorbenen Frau B. das Widerspruchsverfahren gegen den streitgegenständlichen Vorausleistungsbescheid nicht fortgesetzt werden solle. Mit Bescheid vom 28.08.2000 setzte die Beklagte die Kosten des durch Rücknahme des Widerspruchs erledigten Widerspruchsverfahrens auf 1.485,66 DM fest und legte diese den Erben der Widerspruchsführerin auf. Gegen diesen Bescheid legte die Bevollmächtigte des Klägers am 29.09.2000 Widerspruch ein, den sie nicht weiter begründete. Eine Anhörung wurde nicht durchgeführt. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2001, zugestellt am 27.02.2001, wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 27.03.2001 hat der Kläger Klage erhoben.

Er vertritt die Ansicht, eine Widerspruchsgebühr habe seitens der Beklagten nicht festgesetzt werden dürfen, da der Gebührentatbestand noch nicht verwirklicht worden sei. Die Beklagte habe im Zeitpunkt der Rücknahme des Widerspruchs noch nicht mit der sachlichen Bearbeitung des Vorgangs i.S.d. Kostenrechts begonnen. Eine solche könne gesetzestechnisch erst nach Durchführung des Anhörungsverfahrens und   Rückkehr der Akten an die Behörde zur abschließenden Entscheidung angenommen werden.

Er beantragt,

den Bescheid vom 28.08.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2001 aufzuheben,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt der Auffassung des Klägers entgegen, dass eine sachliche Bearbeitung des Widerspruchs vor der Sitzung des Anhörungsausschusses nicht stattgefunden habe. Eine solche sei vielmehr vor der Sitzung des Anhörungsausschusses erforderlich, um gegebenenfalls in der Sitzung eine gütliche Einigung herbeiführen zu können. Eine Vorbereitung des Anhörungstermins habe wegen der jeweils kurzfristigen Absagen der Bevollmächtigten des Klägers auch nicht vermieden werden können. Sinn und Zweck der Gebührenfreiheit vor Beginn der sachlichen Bearbeitung der Angelegenheit liege darin, den Widerspruchsführer Gelegenheit zu geben, zwar fristwahrend Widerspruch einzulegen, diesen aber nach angemessener Überlegenszeit auch kostenfrei wieder zurücknehmen zu können. Dem Kläger habe eine angemessene Zeit für diese Überlegung zur Verfügung gestanden und die Beklagte habe nicht mit ungewöhnlicher Eile mit der sachlichen Bearbeitung des Widerspruchs begonnen.

Die Behördenunterlagen waren dem Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 08.01.2002 verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) zulässig, aber nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 28.08.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2001 ist formell und materiell rechtmäßig ergangen und verletzt den Kläger daher nicht in seinen subjektiv öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Es kann dahinstehen, ob der Bescheid vom 28.08.2000 hinsichtlich der Adressaten der Verfügung ausreichend bestimmt i.S.d. § 37 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz ist, denn ein etwaiger diesbezüglicher Fehler ist jedenfalls mit Erlass des insoweit fehlerfreien Widerspruchsbescheides geheilt. In diesem an die Bevollmächtigte des Klägers gerichteten Schreiben sind in der Betreffzeile die Erben der B. als Adressaten der Verfügung aufgeführt. Die Verpflichtung einer Erbengemeinschaft ist bei derartigen Bescheiden hinreichend bestimmt, da dies im Zweifel so auszulegen ist, dass die jeweils dazu gehörenden Personen als Gesamtschuldner (§ 2058 BGB) gemeint sind.

Rechtsgrundlage für die Festsetzung der streitigen Widerspruchsgebühr ist § 14 Hessisches Ausführungsgesetz zur VwGO (HessAGVwGO) i. V. m. § 4 Abs. 5 Hessisches Verwaltungskostengesetz (HVwKostG) in der hier maßgeblichen Fassung vom 03.01.1995 (GVBl I, 2). Nach § 14 Abs. 1 HessAGVwGO sind von der mit der Bearbeitung des Widerspruchs zuletzt befassten Behörde Kosten (Gebühren und Auslagen) nach Maßgabe des HVwKostG zu erheben. § 4 Abs. 5 HVwKostG bestimmt, ob und in welcher Höhe in den genannten Fällen Verwaltungskosten zu erheben sind. Bei angefochtenen Amtshandlungen, mit denen eine Geldleistung gefordert wurde, sind im Falle der Rücknahme des Widerspruchs 2,5 von 100 des angefochtenen Betrages als Widerspruchsgebühr zu erheben, es sei denn, die Behörde hatte mit der sachlichen Bearbeitung des Widerspruchs noch nicht begonnen. In diesem Fall fällt keine Gebühr an (§ 4 Abs. 5 Satz 6 HVwKostG).

Der Widerspruch vom 27.05.1999, der sich auf einen Vorausleistungsbescheid und damit auf eine angeforderte Geldleistung bezog, wurde mit Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 27.06.2000 zurückgenommen. Die Formulierung der Bevollmächtigten des Klägers "das Widerspruchsverfahren gegen den streitbefangenen Vorausleistungsbescheid nicht fortzusetzen" ist als Rücknahme des Widerspruchs und nicht - wie es in den Klagebegründungen anklingt - als Erledigungserklärung hinsichtlich des Widerspruchs zu werten. Zum einen muss sich die Bevollmächtigte des Klägers als Rechtskundige diese juristisch unklare Formulierung entgegen halten lassen, zum anderen ist im Laufe des Widerspruchsverfahrens auch kein erledigendes Ereignis hinsichtlich des Vorausleistungsbescheides eingetreten. Entgegen der Ansicht des Klägers hatte die Beklagte auch schon mit der Bearbeitung des Widerspruchs begonnen, so dass dieser sich nicht auf den Gebührenausschlusstatbestand des § 4 Abs. 5 Satz 6 HVwKostG berufen kann. Eine sachliche Bearbeitung des Widerspruchs i.d.S. ist dann anzunehmen, wenn sich die Behörde über das bloße Anlegen des Vorgangs hinaus mit der Sache selbst auseinander gesetzt hat (vgl. VG Gießen, Urt. v. 15.03.2000, Az: 2 E 2359/98). Eine Bearbeitung der Widerspruchsangelegenheit des Klägers i.d.S. hat stattgefunden. Zum einen hat die Beklagte sich mit Schreiben vom 20.07.1999 mit den von der Bevollmächtigten des Widerspruchsführers aufgeworfenen Fragen hinsichtlich der Erhebung von Vorausleistungen auseinandergesetzt und zum anderen weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass es einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Widerspruchssache zwingend bedarf, um eine Anhörung   entsprechend dem Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens überhaupt durchführen zu können.

Auch die Höhe der Widerspruchsgebühr hat die Beklagte zutreffend nach § 4 V S. 2 i.V.m. III S. 2 HVwKostG ermittelt.

Eine von der Bevollmächtigten des Klägers hilfsweise geltend gemachte Reduzierung der Gebühr auf die Hälfte des angeforderten Betrages nach § 4 Abs. 6 HVwKostG kommt gleichfalls nicht in Betracht, da der Verwaltungsaufwand in dieser Sache nicht erheblich geringer war als in der angesetzten Gebühr berücksichtigt. Ausweislich der Behördenunterlagen war die Bearbeitung der Widerspruchssache durch Beantwortung der klägerischen Anfragen und Vorbereitung der Anhörungstermine bereits so weit fortgeschritten, dass der Ansatz der vollen Gebühr im Falle der Rücknahme eines Widerspruchs als gerechtfertigt anzusehen ist und Gründe für die Annahme eines erheblich geringeren Aufwandes als üblicherweise nicht ersichtlich sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V .m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.




zurück zur Seite mit der Neuigkeit http://members.aol.com/erichbauer/rb/n220102.html