Entscheidung : BESCHLUSS


Sachgebiet(e)

Gerichtstyp

OVG 

Gerichtsort

Koblenz 

Datum

27.09.2006 

Aktenzeichen

6 A 10418/06.OVG

Titel

Ausbaubeitragsrecht 

Text

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz

Beschluss

In dem Verwaltungsrechtsstreit

der Frau D.

- Klägerin und Antragsgegnerin -

 

Prozessbevollmächtigte:     Rechtsanwälte Klinge - Hess, Rheinstraße 2 a, 56068 Koblenz,

 

gegen

 

die Ortsgemeinde Kirschweiler, vertreten durch den Bürgermeister der Verbandsge­meinde Herrstein, Brühlstraße 14-16, 55756 Herrstein,

- Beklagte und Antragstellerin -

 

Prozessbevollmächtigter:    Meiborg Rechtsanwälte, Hindenburgplatz 3, 55118 Mainz,

 

 

wegen    Ausbaubeitrags  (Vorausleistung)

                        hier: Zulassung der Berufung

 

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 27. September 2006, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hehner
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher

beschlossen:

 

Der Antrag der Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwal­tungsgerichts Koblenz vom 6. März 2006 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 8.117,92 € festgesetzt.

 

 

Gründe

 

Der Antrag hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen der beiden von der Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

 

So bestehen an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils keine ernstlichen Zwei­fel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; denn die entscheidungserheblichen Feststellungen des angefochtenen Urteils werden mit der Antragsbegründung nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (so die vom Bundesver­fassungsgericht in seinem Beschluss vom 23. Juni 2000, NVwZ 2000, 164 = DVBl 2000, 1458, definierten Voraussetzungen für das Vorliegen „ernstlicher Zweifel“). Dies gilt namentlich für die die Entscheidung tragende Auffassung des Verwal­tungsgerichts, die Straße „R.-Platz“ sei keine selbständige Verkehrsanlage, sondern ein unselbständiger Bestandteil der M.-straße.

 

Die Beklagte tritt dem unter Berufung auf Driehaus (Erschließungs- und Ausbau­beiträge, 7. Aufl., Rdn. 9 zu § 31) sowie auf das OVG Lüneburg (Beschluss vom 30. Januar 1998, NVwZ‑RR 1999, 196) mit der Begründung entgegen, spezifische straßenbaubeitragsrechtliche Grundsätze, namentlich die Einstufung der Straßen in verschiedene, an den unterschiedlichen Funktionen orientierte Kategorien, nötigten trotz Vorliegens der diesbezüglichen erschließungsbeitrags­rechtlichen Voraussetzungen für eine einheitliche Verkehrsanlage in Fällen von ‑ wie auch vorliegend ‑ erheblich voneinander abweichender Verkehrsbedeutung zu der Annahme, eine Hauptstraße mit beachtlichem Durchgangsverkehr und eine in diese einmündende Sackgasse bildeten ausbaubeitragsrechtlich zwei unter­schiedliche Anlagen. Denn nur auf diesem Wege könne erreicht werden, dass ein­zig den Grundstücken an der Hauptstraße der hohe Gemeindeanteil zugute komme, während allein die Grundstücke an der Sackgasse mit den entsprechend höheren Anliegeranteilen belastet werden.

 

Dieser Auffassung vermag sich der Senat für das rheinland-pfälzische Ausbaubei­tragsrecht nicht anzuschließen. So weist zunächst die Klägerin zutreffend darauf hin, dass eine solche Konstellation jedenfalls bei der Mehrzahl der typischen Fälle einer Sackgasse gegeben ist. Folglich verbliebe im Ausbaubeitragsrecht nur noch wenig Raum für die Annahme einer unselbständigen Verkehrsanlage. Ungeachtet dessen ist im Ausbaubeitragsrecht die Aufteilung eines nach dem grundsätzlich maßgeblichen (äußeren) Erscheinungsbild einheitlichen Straßenzuges in zwei selbständige Verkehrsanlagen nur dann angezeigt , wenn deren Verkehrsfunktio­nen in einer Weise voneinander abweichen, welche unterschiedliche Widmungen bzw. ‑ insbesondere nach einer Ausbaumaßnahme ‑ die Umwidmung eines Teiles des gesamten Straßenzuges erforderlich mache (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2003 ‑ 6 A 11867/02.OVG ‑ AS 30, 287 = NVwZ‑RR 2004, 70). Nach dem zitierten Urteil des beschließenden Senats führt dementsprechend die Umwandlung eines Teiles einer Verkehrsanlage in einen Fußgängerbereich (Fußgängerzone), anders als die Ein­richtung lediglich eines verkehrsberuhigten Bereichs, zu einer Änderung der Ver­kehrsfunktion, der straßenrechtlich durch eine Umwidmung mit der Konsequenz der nunmehr ausbaubeitragsrechtlichen Selbständigkeit dieser Anlage Rechnung zu tragen ist. Es bedarf keiner näheren Erörterung, dass der Hauptstraßenzug der M.-straße und der „R.-Platz“, die beide uneingeschränkt dem öffentlichen Fahrzeug- und Fußgängerverkehr dienen, keine Unterschiede der genannten Art aufweisen, die getrennte Widmungen notwendig machten.

 

Darüber hinaus bezweckt die Qualifizierung als einheitliche Verkehrsanlage aus­baubeitragsrechtlich auch einen gerechten Lastenausgleich dergestalt, dass die Anlieger der Sackgasse, die auf eine Benutzung der „Hauptstraße“ angewiesen sind, sich damit in gleicher Weise wie deren Anlieger an den in der Regel weitaus höheren Kosten der „Hauptstraße“, die auch aus deren zumeist kürzerer Lebens­dauer resultieren, beteiligen. Dieser Entlastungseffekt wird auch durch den infolge der Mitberücksichtigung der Sackgasse nur geringfügig niedrigeren Gemeindean­teil regelmäßig nicht wieder „verbraucht“ oder gar in einen Belastungseffekt umgewandelt.

 

Nicht durchzudringen vermag die Beklagte auch mit ihrer Divergenzrüge gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 VwGO, mit der sie in Bezug auf die das angefochtene Urteil tragende Begründung, der Vorausleistungsbescheid sei mangels Widmung des „R.-Platzes“ rechtswidrig, eine Abweichung von der Rechtsprechung des beschließenden Senats, namentlich dem Senatsurteil vom 10. Juni 2003 ‑ 6 A 10310/03.OVG ‑ geltend macht. Denn der Senat hat die gegenteilige Auffassung, derzufolge ein Vorausleistungsbescheid grundsätzlich nicht bereits wegen (noch) fehlender Widmung der betreffenden Verkehrsanlage rechtswidrig ist, im vorbe­zeichneten ebenso wie im späteren Urteil vom 14. Juni 2005 ‑ 6 A 10131/05.OVG ‑ lediglich im Rahmen eines nicht entscheidungserheblichen „obiter dictum“ („manches spricht dafür, dass …“) geäußert. Dies vermag jedoch keine Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 4 VwGO zu begründen. Eine solche liegt nämlich dann nicht vor, wenn das angegriffene Urteil nur von einer Hilfsbegründung oder von Überlegungen ( obiter dicta ) in einem Urteil eines der in der vorbezeichneten Vorschrift genannten Gerichte abweicht, auf denen das Urteil nicht beruht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., Rdn. 11 zu § 124 i.V.m. Rdn. 14 zu § 132, m.w.N.).

 

Der Antrag war nach alledem mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 und 3 GKG.

 

 

gez. Hehner gez. Dr. Frey gez. Dr. Beuscher