20.10.2003 Probleme bei der Anwendung des Geschossflächenmaßstabs im unbeplanten Innenbereich

Seit den Entscheidungen des BVerwG vom 3.2.1989, 8 C 66.65 und 8 C 78.88 ist geklärt, dass Einschränkungen der Ausnutzbarkeit eines Grundstücks bei der Ermittlung von Erschließungsbeiträgen nicht über eine Verringerung der Grundstücksfläche zu berücksichtigen sind, sondern dass sie nur dann Berücksichtigung finden können, wenn sie auf ein Element des in der jeweiligen Satzung festgelegten Verteilungsmaßstabs einwirken, beim Geschossflächenmaßstab also auf die zulässige Geschossfläche. Diese ist nach den Berechnungsregelungen der Satzungen, abgesehen von Fällen sogenannter diffuser Nutzungen, regelmäßig durch Multiplikation der Grundstücksfläche mit der zulässigen Geschossflächenzahl (GFZ) zu ermitteln.

Diese Rechtssprechung wurde zunächst für Fälle im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes entwickelt. Ist dort etwa eine GFZ von 0,8 festgesetzt, so wäre ein 1.000 m² großes Grundstück mit 800 m² Geschossfläche zu berücksichtigen. Ist auf diesem Grundstück aber bei zwei zulässigen Vollgeschossen eine überbaubare Grundstücksfläche von nur 300 m² festgesetzt, so können nur 600 m² Geschossfläche verwirklicht werden. Nur mit dieser geringeren Geschossfläche ist dieses Grundstück auch beitragsmäßig zu berücksichtigen. In beplanten Gebieten kann wie im Beispiel meist unschwer anhand der einschränkenden Bebauungsplanfestsetzung die wirklich erreichbare Geschossfläche ermittelt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat aber im Urteil vom 10.10.1995, 8 C 12.94 diese Rechtssprechung auch auf Fälle im unbeplanten Innenbereich übertragen. Im Erschließungsbeitragsrecht, für das diese Entscheidung ergangen ist, spielen Fälle im unbeplanten Innenbereich zahlenmäßig kaum eine Rolle. Erschließungsbeiträge werden nahezu ausschließlich in beplanten “Neubaugebieten“ abgerechnet. Im landesrechtlichen Straßen(ausbau)beitragsrecht, in dem die gleichen Überlegungen zu gelten haben, ist aber derzeit die Abrechnung nach der Innenbereichsregelung der jeweiligen Beitragssatzung der Regelfall. Auch im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen spielt bei Ergänzungsbeiträgen der Innenbereich eine bedeutende Rolle. Die früheren Satzungsmuster des Hessischen Städte- und Gemeindebundes sahen für sämtliche Beiträge vor, dass, abgesehen von Fällen sogenannter diffuser Nutzung, zunächst nach § 34 des Baugesetzbuches zu bestimmen ist, wie viele Vollgeschosse auf dem Grundstück zulässig sind, so beispielsweise § 10, Abs. 1 der Straßenbeitragssatzung (StrBS). Anschließend ist einer Tabelle die für diese Vollgeschosszahl anzuwendende GFZ zu entnehmen, bei zwei zulässigen Vollgeschossen also beispielsweise 0,8. Die meisten Städte und Gemeinden übernahmen diese GFZ-Tabelle des Satzungsmusters in ihr Ortsrecht, ohne darüber nachzudenken, ob dieser Wert auch ungefähr der Wirklichkeit in ihrem Gemeindegebiet entspricht. Immerhin ist das der Maximalwert, der nach § 17 der Baunutzungsverordnung in der bis zum 26.1.1990 geltenden Fassung für eine Wohnbebauung mit zwei Vollgeschossen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden durfte. In vielen historischen Dörfern und in Wohnsiedlungen von Kleinstädten sind zwar meist nach § 34 BauGB zwei Vollgeschosse zulässig, die vorhandene GFZ liegt in der Regel aber weit unter dem Wert von 0,8. Zu empfehlen ist in derartigen Fällen die Festsetzung einer geringeren, an den tatsächlichen Gegebenheiten im Gemeindegebiet orientierten GFZ an der entsprechenden Stelle der Beitragssatzungen. Geschieht dies nicht, ergeben sich die folgenden Schwierigkeiten:

Ein Bauherr, der ein Vorhaben mit einer GFZ von 0,8 in einer Umgebung mit deutlich geringeren Dichte einreichen würde, bekäme sein Vorhaben abgelehnt, weil es sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, § 34, Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB). Dies ist im Beitragsrecht zu berücksichtigen. Anders als im beplanten Bereich sind aber im unbeplanten Bereich kaum Kriterien vorhanden, nach denen sich die wirklich erreichbare Geschossfläche bestimmen lässt. Die Bestimmung der Geschossfläche ist aber eine rechtlich gebundene Entscheidung ohne jeden Ermessensspielraum, die der jeweilige Beitragspflichtige für sein Grundstück natürlich darauf überprüfen kann, dass er nicht mit einem zu hohen Wert berücksichtigt wird, während die übrigen Beitragspflichtigen einen Rechtsanspruch darauf haben, dass die Berücksichtigung einer Ausnutzungsbehinderung auf einem Grundstück bei der Verteilung nicht zu ihren Lasten geht. Theoretisch muss auch in einem solchen Fall die Verteilungsfläche quadartmetergenau richtig sein. Dass dies in der Praxis kaum möglich ist, liegt auf der Hand. Die Gemeinde muss in derartigen Fällen aber jedenfalls selbst die tatsächlich nutzbare Geschossfläche richtig bestimmen, ggf. unter Mithilfe des Kreisbauamtes, so Hessischer VGH, 5 UE 1701/02 vom 16.6.2004. Im entschiedenen Fall ging es zwar um Ausnutzungsbehinderungen, die aus dem Denkmalschutz herrührten. Im Leitsatz ist aber ganz allgemein von öffentlich-rechtlichen Baubeschränkungen die Rede, so dass Beschränkungen, die aus der Anwendung des § 34 BauGB herrühren ebenso zu berücksichtigen sind.

Sind die Grundstücke etwa gleich groß und mit etwa gleicher aber deutlich unter dem Wert der Satzung liegender Dichte bebaut, so bietet es sich an, aus der vorhandenen Bebauung den höchsten tatsächlichen GFZ-Wert zu bestimmen, diesen leicht aufzurunden und damit die Grundstücksgrößen zu multiplizieren. Ist auf den Grundstücken eine nahezu gleiche Geschossfläche vorhanden, sind sie aber beispielsweise wegen einer nicht parallel zur Straße verlaufenden hinteren Begrenzung unterschiedlich tief, ist aus der vorhandenen Bebauung ohne den rechnerischen Umweg über die GFZ direkt eine zulässige Geschossfläche abzuleiten, die dann im Beispielsfall einheitlich zu verwenden ist.

Manuskript Stand 25.11.2006

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