21.10.2003 Erste Praxiserfahrungen mit der Außenbereichsregelung Hessischer Straßenbeitragssatzungen

In der Entscheidung vom 2.8.2001, 5 TG 3723/00, HSGZ 2001, 397. hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof deutlich gemacht, dass für den Um- und Ausbau von Straßen, an denen auch Außenbereichsgrundstücke anliegen, nach § 11 des Hessischen Kommunalabgabengesetzes nur dann Beiträge erhoben werden können, wenn die Verteilungsregelung der Satzung auch diese Fälle berücksichtigt. Entsprechendes gilt, wenn Grundstücke anliegen, die vom unbeplanten Innenbereich in den Außenbereich übergehen wegen der dann notwendigen beitragsmäßigen Berücksichtigung des hinter der Tiefenbegrenzungslinie im Außenbereich gelegenen Grundstücksteils. Steht in einer Gemeinde keine Abrechnung an, bei der Außenbereichsfälle zu berücksichtigen sind, braucht die Straßenbeitragssatzung auch keine Regelung in dieser Hinsicht zu enthalten (Grundsatz der regionalen Teilbarkeit).

Das Satzungsmuster des Hessischen Städte- und Gemeindebundes (StrBS), Sondereildienst 13 /2001, berücksichtigt diese Rechtssprechung. In § 11, Abs. 1 StrBS sind – aus baurechtlicher Sicht natürlich fiktive – Geschossflächenzahlen (GFZ) für eine Vielzahl außenbereichstypischer Nutzungen vorgeschlagen. Die dabei getroffenen Abstufungen zwischen den einzelnen Nutzungen sind auch nachvollziehbar.

Landwirtschaft , beispielsweise Wiese wird mit 0,005 angesetzt, Weidewirtschaft dagegen mit 0,03. Auch wenn es sich im Vergleich zu den baulichen Nutzungen mit den "normalen" GFZ von 0,8 trotz größerer Grundstücksflächen meist um vernachlässigbare Beträge handelt, entsteht bei den Beitragspflichtigen jedoch regelmäßig die Frage, warum man für das gleiche Stück Grünland nun mehr bezahlen soll als der Nachbar, der seine Wiese mäht, nur weil man einen Elektrozaun abgesteckt hat und ein paar Schafe oder Kühe darauf weiden lässt. An diesem Beispiel lässt sich anschaulich darstellen, warum es zu dieser Differenzierung kommt. Vielfach werden die GFZ-Werte nämlich fälschlicherweise als Maß der wirtschaftlichen Ausnutzbarkeit angesehen. Auf die mehr oder minder große Grundrente, die aus einem Grundstück zu erzielen ist, kommt es aber beim Straßenbeitrag nicht an. Der Maßstab soll vielmehr möglichst genau die Möglichkeit der vorteilhaften Inanspruchnahme der Straße im Sinne einer Benutzungshäufigkeit wiedergeben. Dass auf eine Weide zum Auf- und Abtrieb sowie zur Versorgung der Weidetiere häufiger zugegangen bzw. zugefahren werden muss als zu einer Mähwiese, leuchtet dann ein. Grünland, das in Form der Wanderschäferei beweidet wird , ist unter dem zuvor geschilderten Aspekt auch nur mit dem Faktor für Wiesen zu belegen.

Bebaute Grundstücke im Außenbereich sind mit den nicht von Gebäuden überdeckten Flächenteilen "(Grundstücksfläche abzüglich der Gebäudefläche)" nach § 11, Abs. 2, Satz 2 StrBS einer der Flächenkategorien des Abs. 1 der Vorschrift zuzuordnen. Der Wirtschaftshof eines landwirtschaftlichen Gehöfts oder Terrassen, Hauszugangsflächen und Stellplätze eines Wohngebäudes beispielsweise sind aber in Abs. 1 nicht aufgeführt. Offensichtlich geht das Satzungsmuster davon aus, dass unmittelbar an der Hauswand des im Außenbereich gelegenen Gebäudes eine Gartenanlage, ein Acker, eine Wiese oder eine der anderen in § 11, Abs.1 StrBS aufgeführten Nutzungen anschließt. Ein Rückgriff auf eine "echte" GFZ im Sinne der Baunutzungsverordnung verbietet sich, da für die im Außenbereich gelegenen Gebäude selbst die Geschossflächen nach den Ausmaßen der Gebäude in allen Geschossen zu bestimmen sind, § 11, Abs. 2, Satz1 StrBS und gerade nicht durch Multiplikation einer Grundfläche mit einer GFZ. Es wird daher vorgeschlagen, solche Flächen an Wohngebäuden mit dem für Garten- und Parkanlagen vorgesehen Faktor von 0,125 zu belegen, da sie ja meist auch in die Gartengestaltung einbezogen sind und bei landwirtschaftlichen Gehöften den für Anlagen zur Tierhaltung vorgesehenen Faktor von 0,03 zu verwenden, was naheliegt, wenn man sich den Zu- und Abgangsverkehr zu den beispielhaft dafür angeführten Hühnerfarmen und Mast- oder Zuchtbetrieben vor Augen führt.

Gar nicht so selten sind Fälle, in denen das direkt an eine Ausbaustraße anliegende Außenbereichsgrundstück oder der Grundstücksteil jenseits der satzungsgemäßen Tiefenbegrenzungslinie mehrere unterschiedliche Nutzungen aufweisen. Beim siedungsgeschichtlich klassischen Waldhufendorf beispielsweise schließt sich auf einem Buchgrundstück an das an der Straße gelegene Gehöft landwirtschaftliche Fläche an und daran Wald. Um den Ermittlungsaufwand bei der Beitragserhebung gering zu halten wird vorgeschlagen, die Größe der unterschiedlich genutzten Flächen wenn möglich den Nutzungsarten des Katasterbuchwerks zu entnehmen; diese Nutzungsarten können jedoch nur Indiz für das Vorliegen unterschiedlicher Nutzungen sein. Maßgeblich ist die tatsächliche Nutzung – wie stets im Beitragsrecht - zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten.

Wie im Erschließungsbeitragsrecht ist auch im Straßenbeitragsrecht ein Grundstück dann "erschlossen", wenn man im Falle von wohnbaulich nutzbaren Grundstücken auf der Straße bis in Höhe des Grundstücks mit Kraftwagen heranfahren kann und es von dort betreten kann. Grundstücke, die nur gewerblich genutzt werden können, müssen darüber hinaus auch von der Straße aus mit LKW befahrbar sein. Überträgt man diesen Gedanken auf Außenbereichsgrundstücke, so wird man für die meisten Außenbereichsnutzungen das Herauffahrenkönnen auf das Grundstück fordern müssen. Fraglich kann allenfalls sein, ob es bei einem bewaldeten Steilhang ausreicht, dass die Abfuhr des auf dem Waldgrundstück zum Straßenrand gerückten Holzes über die Straße möglich ist. Eine Befahrbarkeit eines Waldgrundstücks mit modernen Holzvollerntemaschinen von der Straße aus dürfte wohl nicht Voraussetzung für die Beitragspflicht des Grundstücks sein.

Die Mehrfacherschließungsvergünstigung wird in § 13, Abs. 1 StrBS für solche Grundstücke gewährt, die von einer weiteren gleichartigen Anlage erschlossen werden. Der Begriff "gleichartig" dürfte mehr oder weniger unbesehen aus der Mehrfacherschließungsregelung der Erschließungsbeitragssatzung entnommen sein. Im Erschließungsbeitragsrecht meint "gleichartig" solche Anlagen, die jeweils unter einer Ziffer des § 127, Abs. 2 des Baugesetzbuches aufgeführt sind, so auch für das Hessische KAG Hessischer VGH, Beschluss vom 13.2.2003, 5 UZ 35/03, KStZ 2003, 172. Allerdings hatte das Gericht in diesem Fall die Gleichartigkeit gegen eine in ganz anderer Weise, nämlich bezüglich der Verkehrsbedeutung der Straße missverstandene Auslegung abzugrenzen. Gleichartig im Sinn der Straßenbeitragssatzung ist nach der hier vertretenen Auffassung eine andere Anlage nur, wenn für sie ebenfalls Beiträge nach dieser Satzung entstehen können. Ein Feldweg, an den das Grundstück hinten oder seitlich ebenfalls angrenzt, vermag eine Mehrfacherschließungsvergünstigung ebensowenig zu vermitteln wie eine klassifizierte Straße. Für letztere schließt § 13 Abs. 1 StrBS die Vermittlung der Vergünstigung ausdrücklich aus. Dass für die Erneuerung von Feldwegen und beispielsweise auch von leitungsgebundenen Einrichtungen ebenfalls Beiträge nach dem KAG erhoben werden können, macht die Feldwege ebensowenig wie etwa eine Entwässerungsleitung zu Anlagen, die die Vergünstigung nach § 13 StrBS vermitteln.


Zwischenzeitlich hat der Hessische Städte- und Gemeindebund im Satzungsmuster 02/2006 den Geschossflächenmaßstab durch den Vollgeschossmaßstab ersetzt. Die in den obigen Ausführungen verwendeten Zahlenbeispiele beziehen sich auf Fälle, in denen auch weiterhin der Geschossflächenmaßstab Verwendung findet.

Manuskript Stand 26.11.2006

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