27.04.1999 Zeitlich unbegrenztes rückwirkendes Inkrafttreten von Abgabensatzungen?

Es bleibt nicht aus, daß bei der Erhebung von Erschließungs- und Ausbaubeiträgen sowie von Anschlußbeiträgen zwischen Gemeinden und Grundstückseigentümern Meinungsverschiedenheiten auftreten, die in Prozesse vor den Verwaltungsgerichten münden. Nicht selten streiten die Parteien dann verbissen um das eine oder andere Detail der Beitragserhebung und müssen beide erstaunt zur Kenntnis nehmen, daß das Gericht von sich aus inzidenter die der Beitragserhebung zugrundeliegende Satzung prüft und dort auf Fehler stößt. Der hessische Gesetzgeber hat diese für die Gemeinden problematische Situation seit langem erkannt und deshalb in § 3 Abs. 2 des Gesetzes über Kommunale Abgaben (KAG) die Möglichkeit vorgesehen, eine neue fehlerfreie Abgabensatzung mit rückwirkender Kraft zu erlassen. Allerdings durfte nach der bis zum 31.12.1998 geltenden Rechtslage diese Rückwirkung nicht über den Verjährungszeitraum hinausgehen. Diese Frist beträgt nach § 169 der Abgabenordnung 4 Jahre, beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die sachlichen Beitragspflichten entstanden. Selbst wenn eine Gemeinde selbst diese Frist gar nicht oder nur in geringem Umfang in Anspruch nimmt, die Beitragsbescheide also unmittelbar nach Entstehen der sachlichen Beitragspflichten erläßt, entstehen doch vor den Anhörungsausschüssen nach dem hessischen Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung und vor den Verwaltungsgerichten Wartezeiten, so daß es bei Aufdeckung eines Satzungsmangels in vielen Fällen nicht mehr möglich war, innerhalb der Vierjahresfrist eine neue fehlerfreie Satzung rückwirkend zu erlassen.

Diesem Umstand hat der Landesgesetzgeber nunmehr im Interesse der auf die Beitragszahlungen angewiesenen Gemeinden Rechnung getragen. In Artikel 49 des Gesetzes zur Rechts- und Verwaltungsvereinfachung vom 17.12.1998, GVBl. I, 1998, S. 562 entfällt nun die Vierjahresgrenze für das rückwirkende Inkraftsetzen der Satzungen ab dem 01.01.1999.

Die hessischen Städte und Gemeinden sind aber gut beraten, die Beitragserhebung nun nicht bis kurz vor das Ende der Festsetzungsverjährungsfrist hinauszuschieben. Bezüglich der geschilderten Satzungsmängel wäre dies zwar nunmehr unproblematisch. Wird aber aufgrund einer wirksamen Satzung im Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht vor dem Verwaltungsgericht ein Verteilungsfehler festgestellt, so kann die Gemeinde bekanntlich die Nacherhebung der ausgefallenen Beiträge bei den eigentlich Beitragspflichtigen ja auch nur innerhalb der Festsetzungsverjährung durchführen. Vor diesem Hintergrund bleibt es deshalb selbstverständlich bei der allgemeinen Empfehlung, die Beitragserhebung zeitnah durchzuführen.

Manuskript Stand 28.5.2001


Im Beschluss vom 05.03.2013 BvR 2457/08 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das Rechsstaatsprinzip die Zulässigkeit einer zeitlich unbegrenzt "rückwirkenden" Abgabenfestsetzung nicht gestattet und hat daher dem Bayerischen Landesgesetzgeber die Änderung der betreffenden Regelung im Kommunalabgabengesetz aufgegeben. Der ist dem in Art. 13 Abs.1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb KAG in der Weise nachgekommen, dass er eine Frist von 20 bzw. 25 Jahren eingeführt hat, nach der eine Beitragsfestsetzung ohne Rücksicht auf die Entstehung der Betragsschuld nicht mehr möglich ist.

Für den Fall, dass der Bayerische Gesetzgeber nicht rechtzeitig tätig geworden wäre, hat das BVerfG die frühere Gesetzesfassung für nichtig erklärt mit der vom Gericht ausdrücklich angeführten Folge, dass die Verwaltungsgerichte jeweils im Einzelfall den verfassungsrechtlich noch zulässigen Rückwirkungszeitraum hätten bestimmen müssen. Dies hat inzwischen in anderen Bundesländern zu einer Vielzahl von Entscheidungen geführt. Für Hessen sind dem Betreiber dieser Seite solche Entscheidungen bisher nicht bekannt. Ein Zeitraum zwischen den 20 Jahren des Bayerischen KAG und den 30 Jahren der früheren zivilrechtlichen Regelverjährungsfrist dürfte hier jedoch anzunehmen sein.

Manuskript Stand 03.08.2014

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