29.11.2002 Anfang und Ende von Aus- und Umbaumaßnahmen im Straßenbeitragsrecht - räumlich gesehen



Grundsätzlich bestimmt sich im Straßenbeitragsrecht - wie im Erschließungsbeitragsrecht - die abzurechnende Anlage nach der so genannten natürlichen Betrachtungsweise, die der ebenfalls von der Rechtsprechung entwickelte "unvoreingenommene Beobachter" an den Tag legt. Eine solche Anlagenabgrenzung ist im Straßenbeitragsrecht regelmäßig dann von Bedeutung, wenn mehrere Straßen eines "Baugebiets" im Zuge einer einheitlichen Baumaßnahme um- und ausgebaut werden. Da es im hessischen Straßenbeitragsrecht mangels Normierung im KAG den - auch im Erschließungsbeitragsrecht höchst seltenen - Fall der Erschließungseinheit nicht gibt, kommt der Anlagenabgrenzung in derartigen Fällen neben der rechtlichen auch eine große praktische Bedeutung zu. Die Kosten für die verschiedenen Anlagen sind nämlich sinnvollerweise in den Unternehmerrechnungen so zu trennen, dass sie anschließend auch den einzelnen abzurechnenden Anlagen zugeschrieben werden können. Geschieht dies nicht rechtzeitig, fallen später umfangreiche Auseinanderrechnungen nach dem jeweiligen Aufmaß an. Nach der hier vertretenen Auffassung gehört der Zeit- und damit Kostenaufwand für derartige Auseinanderrechnungen auch nicht zum beitragsfähigen Aufwand.

Anfang und Ende der Anlage ist jeweils dann relativ einfach zu bestimmen, wenn die auszubauende Straße in eine andere einmündet und an der durchgehenden Straße, in die sie einmündet, weitest gehend keine Baumaßnahmen vorgenommen wurden. Wurde die Straße, in die die auszubauende Straße einmündet, aber in der Breite der einmündenden Straße ebenfalls um- und ausgebaut, so sind die dafür entstandenen Kosten Um- und Ausbaukosten an einer anderen abzurechnenden Anlage. Möglicherweise wird man aber bei einer solchen, auf die Gesamtlänge der zuletzt genannten Straße bezogen nur geringfügigen Ausbaustrecke, nämlich der Breite der einmündenden Straße, zu dem Schluss kommen, dass dies gar keine beitragsfähige Maßnahme ist, mit der Folge, dass die auf den Einmündungsbereich anfallenden Kosten in keiner Weise beitragsfähig sind.

Häufig wird beim Um- und Ausbau einer Straße in den Bereich der kreuzenden oder einmündenden Straße hinein auf einige wenige Meter "angepasst". Derartige Anpassungsarbeiten sind notwendige Arbeiten und gehören zum beitragsfähigen Aufwand, es sei denn, die Anpassungsstrecke ginge über das hinaus, was im genannten Sinne als "Anpassung" zu gelten hat, und würde sich deshalb als ein Teilausbau der anderen Straße darstellen. Im letzteren Fall wären das dann Arbeiten an einer anderen Anlage und ggf. dort abzurechnen. In welcher Tiefe derartige Anpassungen nun im konkreten Fall beachtlich oder unbeachtlich sind, hat in der Rechtsprechung bisher keine Rolle gespielt. Hier dürfte es auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. Aus hiesiger Sicht werden Anpassungstiefen bis ca. 7 m für vertretbar gehalten.

Die vorher diskutierte Frage der Anpassung spielt auch in den Fällen eine Rolle, in denen eine Straße, die nach der natürlichen Betrachtungsweise als einheitliche Anlage zu gelten hat, nur in einem Abschnitt aus- und umgebaut wird. Auch hier wird gelegentlich über die den Abschnitt bildende kreuzende oder einmündende Straße hinaus noch um einige Meter angepasst, ohne dass dies dazu führt, dass nun auch die am nächsten Abschnitt der Straße gelegenen Grundstücke in die Verteilung der Kosten einzubeziehen wären.

Wird nun aber der Um- und Ausbau nicht an der einen Abschnitt bestimmenden kreuzenden oder einmündenden Straße beendet, sondern wird über die reine Anpassung hinausgehend bis in den nächsten Abschnitt hinein um- und ausgebaut, jedoch nicht bis zum Ende dieses weiteren Abschnitts, so bestimmt sich der beitragsrechtlich relevante Abschnitt nicht etwa bis zu dem Anliegergrundstück, an dem mit dem Um- und Ausbau im technischen Sinn geendet wurde, sondern bis zur nächsten abschnittsbildenden Querstraße oder einmündenden Straße. Es wird somit eine mehr oder weniger große Zahl von Grundstücken beitragspflichtig, vor denen keinerlei Aus- und Umbaumaßnahmen stattgefunden haben, die aber dennoch am betreffenden Abschnitt liegen. Den Eigentümern dieser Grundstücke sind diese Zusammenhänge nur schwer zu vermitteln, insbesondere im Hinblick darauf, dass sie ja bei einem späteren Ausbau "vor ihrem Haus" erneut und ohne Zweitausbauvergünstigung herangezogen werden könnte. Letzteres kann aber nach der hier vertretenen Auffassung nicht eintreten. Die Gemeinde muss sich vielmehr an einer einmal vorgenommenen Abschnittsbildung festhalten lassen, mit der Folge, dass Kosten, die für den Um- und Ausbau der seinerzeit nicht ausgebauten Reststrecke eines Abschnitts beim Ausbau weiterer Abschnitte nicht beitragsfähig sind. Gemeinden ist daher anzuraten, den tatsächlichen Ausbau stets über die gesamte Länge des Abschnitts vorzunehmen.

Grundstücke, die gegenüber der Einmündung einer abschnittsbildenden Querstraße liegen, werden nur mit dem Bruchteil ihrer Bemessungsfläche beitragspflichtig, der sich aus dem Verhältnis der Frontlängen ergibt, mit denen sie am jetzt ausgebauten Abschnitt und dem nicht ausgebauten Abschnitt liegen. In derartigen Fällen soll nach der Rechtsprechung der Schnittpunkt der Achse der einmündenden Straße mit der Grundstücksgrenze das Verhältnis bestimmen. Mündet die abschnittsbildende einmündende Querstraße in einem schrägen Winkel ein, so soll die senkrechte Projektion des Schnittpunkts der Achse der einmündenden Straße mit der gedachten durchgezogenen Straßenbegrenzungslinie der Ausbaustraße auf die Grundstücksgrenze der maßgebende Punkt sein, OVG Münster, Urteil vom 13.12.1990, 2 A 751/87, NVwZ 1992, 49 und Bayerischer VGH, Urteil vom 22.10.1992, 6 B 89. 3052, BayVBl. 1993, 469. Dies ist in den Fällen ohne weiteres nachvollziehbar, in denen nach dem Bauprogramm der tatsächliche technische Ausbau bereits vor diesem oder exakt an diesem Punkt endet. Falls aber vor dem betreffenden Grundstück beispielsweise in der ganzen Breite der einmündenden Straße, also nicht nur bis zur Projektion des Achsenschnittpunkts um- und ausgebaut wird, so ist aus der Sicht der anderen Beitragspflichtigen der "Vorteil" für den "Bruchteilsanlieger" zwar größer, dennoch bestimmt sich der Bruchteil nur nach den vorgenannten geometrischen Kriterien. Die Maßgeblichkeit des Bauprogramms im Straßenbeitragsrecht unterliegt also gewissen rechtlichen Schranken, die dazu führen können, dass die räumliche Ausdehnung einer Anlage über das Bauprogramm hinausgeht oder hinter diesem zurückbleibt, OVG Münster, Urteil vom 29.01.2002, 15 A 5565/9, NVwZ 2002, 870.

Manuskript Stand 30.05.2010

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